Mit dem 'Amtlich Documentum' „Hiermit sey kundgetan, dasz die genannt Person … nach Art und auff Geheiss des Till Eulenspiegel wurd 3mal geteuft am 21ten Tage des 8ten Monats im Jahre des Herren 2013. Ergo sie sich benennen darf, ein aecht Schöppenstedter zu seyn” im vierten Akt eines hervorragend inszenierten und durchgeführten fünfteiligen Heimatstückes wurden die nahezu sechszig Teilnehmer der Herbstausfahrt 2013 mit einer nicht alltäglichen Auszeichnungsurkunde für die gerne in Kauf genommenen Mühen einer schönen Fahrt beehrt.
Aufführungsort dieses nicht alltäglichen Stückes war Schöppenstedt und das Umland mit Elm und Asse, liebevoll ironisch am Ende des Roadbooks mit „Panoramafahrt durch die Toskana des Nordens” tituliert. Stückautorin und Regisseurin Monika „Moni” mit Regieassistent Joachim „Achim” Keune empfingen Punkt 8:57 Uhr (welch' schelmische Zeit) die mitwirkenden Requisiten (nahezu dreissig
Fahrzeuge) mit durchschnittlich doppelt so vielen Laiendarstellern im ersten Bühnenbild »Classic Garage« direkt in Schöppenstedt. Pünktlich um halbzehn erklang der Aufruf zur Anteilnahme am ...
1. Akt
... , in dessen Folge bereits nach wenigen Fahrtmetern in einer der nächsten Straßen am Eulenspiegelmuseum der erste Hauptdarsteller Till Eugenspiegel, dargestellt vom Schöppenstedter Unikum Dag Wachsmann, mit seinen typischen Requisiten Spiegel und Napf seine erste Schelmerei in Form eine lustig dargebrachten „Heyligen Taufe” für Wagen und Reisende vornahm.
Na klar, dass diese Aktion als Reaktion einen zeitweise tüchtigen Stau verursachte, der sich langsam, aber beständig, immer merhr auflöste, da die abrückenden Teilnehmer sich besonnen durch das noch morgendlich leicht verschlafene Schöppenstedt auf die Strecke in die grosse weite Welt machten. Von nun an ging es bei noch leicht nebligem Horizont, der die Hänge und Waldränder des Höhenzuges Elm in erste mystische Herbstmomente hüllte, im Zickzackkurs rund um und auch mal wieder durch Schöppenstedt, wobei streckenweise auch schon erste Kontakte mit den kleinen malerischen Dörfern wie bspw. Kneitlingen oder Ampleben mit ihren teils prächtigen gotischen Kirchenhäusern oder Gutshöfen aufgenommen wurde.
Aber irgendwann fand diese Tändelei auch ihr Ende und über Sambleben, Klein sowie Groß Dahlum und auch dem wahrlich verschlafenen (wenn nicht gar vereinsamten) Ort Schöningen düsten wir weiter Richtung Südosten vorbei am hypermodernen Paläon-Museum und am Riesenschlund des daneben noch befindlichen und aktiven Braunkohlentagebaus mit gigantischen Abmaßen nicht nur in Länge und Breite, sondern auch der nur erahnbaren Tiefe. Das »Tagebau Freiluftmuseum« liessen wir aber irgendwie (links oder rechts) einfach liegen bzw. an uns vorbeisausen.
2. Akt
Plötzlich verlangsamen sich die Vorausfahrenden, denn Regieassistent Achim weist mit seiner Großbritannien-Fahne die Laienschar auf eine großen Parkplatz. Linksseitig der Hauptstraße sehen wir Überbleibsel der Mauer der jämmerlichen Teilung und Ein- oder Abgrenzung unseres Landes, rechts sehen wir zunächst eine Niederung mit viel Grün, auf den zweiten Blick ein zum Denkmal erhobenen alten DDR-Beobachtungsturm und mit zugekniffenen Augen das bunte Gewand unseres Hauptdarstellers Till.
Also raus aus dem Wagen und im Gänsemarsch wie die Lemminge auf traditionsreichem Boden des Grenzlandmuseums am Ortsrand von Hötensleben zum Theaterplatz, um den auf gelungene Art und nette Weise (eingepackt in aktuellen Zeit- und Geschichtsbezug) vorgetragenen Moritaten des Tills mit Episoden der einäugigen Bäuerin und des mitten in die Kirche wegen einer Wette um ein volles Bierfass kackenden Pfaffen lauschend zu folgen. Ob des Interesses oder unserer Geduld: belohnt wurden wir mit niedlichen rot-güldenen Eulenpiegel-Ansteckbroschen.
Hoppla-hopp, weiter ging es nun Richtung Nordwesten Richtung Barneberg, Offleben, Büddenstedt, Esbeck, Warberg in die urbanen Ausläufer von Helmstedt. Daran vorbei kurvten wir im wahrsten Sinne des Wortes in Mariental Dorf auf dem Gelände des schönen Zisterzienser-Klosters eine Runde („Moni und Achim geben eine Runde aus!” Schelmisch – aber geglaubt haben das schon Einige und nach vergeblicher zweiter Runde immer noch den Ausschank gesucht), ehe wir richtungsweisend zu Barmke, Emmerstedt, Süpplingenburg nach Durchfahrt von Groß Steinum, Beienrode und Rottorf die alte Kaiserstadt Königslutter erreichten.
Vorbei an dem Ausflugspunkt »Lutterspring« erklommen wir dann wieder die Höhen des Elms, an dessen Spitze wir beim traditionellen Biker-and-Cars-Treffpunkt „Tetzelstein” im Wald nahe der Traditionsgaststätte unsere Fahrzeuge parkierten.
3. Akt
Welch' Getöse, welch' Geschrei'? Wer spricht da so laut von einer Kanzel zu unserer Schar? Warum schimpfet er nur so? Mario Mugai, als zweiter Hauptdarsteller den Johannes Tetzel verkörpernd, wollte
an unsere Geldbeutel! Und so wetterte er so lange, bis wir uns unserer Schandtaten besannen und gegen Taler oder Scheinen (insgesamt kamen wohl 79,50 € für das Till-Eulenspiegel-Museum zusammen) um einen Ablass unterschiedlicher Güte baten, damit uns das »Fegefeuer ersparet« blieb. Als Dank erhielten wir wenigstens einen Ablassbrief – ein Stück Papier, dass uns für die Weiterfahrt und die nächste Zeit als kleines Schutzschild dienen könnte.
„Guten Tag Frau Sauerfleisch, guten Tag Herr Tetzelsteiner!” so parodierten wir bereits seit Anbeginn der Tour die nett gemachten Tour-Namensschilder, auf deren Rückseite zur Erinnerung die bereits im Vorfeld der Tour geäußerten Essenswünsche notiert waren. Und wie es so ist, zeigt meist die Rückseite des Kärtchens nach vorne. Und wegen der großen gleichen Essensauswahl waren wir halt eben eine große Famiie 'Tetzelsteiner/Sauerfleisch'. Die wenigen Anderen mit Namen wie „Forelle” oder „Pfifferling” oder „Salat” fielen fast gar nicht mehr ins Gewicht. Naja, Minderheiten kann es ja immer geben :-).
Das Roadbook sagte voraus. „Ohne Sünden fährt es sich unbeschwert weiter” und so nahmen wir ungefähr um 14 Uhr wieder unsere Fahrt auf, die uns durch das Reitlingstal runter durch Lucklum und Erkerode über Evessen und Sülze nach Groß Vahlberg mit einem »historischen Straßenbelag« (schön langsam fahren ...) in den Tourabschnitt »[Sch]elmetappe Nummer 7« führte. Berklingen, Barnsdorf, Jerxheim Bahnhof, Winnigstedt, Mattierzoll durchrauschten wir ebenso wie Timmern, Klein Biewende, Neindorf, ehe wir uns an die Ortsdurchfahrt von Wolfenbüttel bei mittlerweilen heftig einsetzenden Regen (den einige Teilnehmer auch zum Anlass nahmen, die Fahrt für Montagen des Verdecks zu unterbrechen oder gleich die direkte Weiter-/Rückfahrt nach Schöppenstedt anzutreten) machten. Die anderen Unerbittlichen folgten den Fahranweisungen weiter und landeten nach Ortschaften wie Wendessen, Groß Denkte, Mönchevahlberg, Gilzum mal wieder im Reitlingstal und danach zum …
4. Akt
... in Ampleben und danach in Kneitlingen am Eulenspiegelsaal und schlussendlich in der Kirche, in der bereits der Hauptdarsteller Till am Taufbecken wartete. „Nicht nur Till ward' dreymal geteuft, sondern auch wir seyn nun geteuft und mit dem eyngangs erwähntem Documentem neben einem zünftigen Gebräu (man sagte, es wäre ein Schnaps) versehen worden. Somit war auch nun die Geschichte um das „dreien mal geteuft werden!” auf äußerst unterhaltsame und humorige Weise gelöst worden. Danach ging es dann (O-Ton Roadbook) „zum wirklich letzten Mal rechts nach Schöppenstedt” und nach Eintreffen am Startpunkt »Classic Garage« nach kurzem Fußmarsch zu Moni und Achim, um im …
5. Akt oder Finale curioso/inferno
… den Geburtstag ihres 1963 gebauten (geborenen) MGB Roadster RHD gebührend zu feiern. Grandios – Nachbarn und Freunde hatten den Garten und die Terasse in eine Open-Air-Partylandschaft verwandelt. Vom ersten Augenblick an konnte eine Gartenparty in Tipp-Topp-Qualität an Speisen und Getränken mit einem Super-Nachbarn-Service von Ulli & Edeltraud (kann man die Beiden nicht einfach mitnehmen oder entführen?) am prall mit Würstchen, diversen Fleischstücken, vielen Salaten und mit allerlei Sossen gefüllten Grill und Buffet ihre Fahrt aufnehmen.
Zelte und Schirme schützten die nun mehr als fünfzig Gäste zählende Schar gut vor dem zeitweise wolkenbruchartig einsetzenden Regen. Moni im eigens in Berlin gekauften stilechten Petticoat der 50er/60er-Jahre wirbelte zwischen den Gästen hin und her, um Geschenke der Gäste entgegenzunehmen. Achim entrollte als Gastgeschenk eine so riesige MG-Fahne, mit der man fast eine ganze Häuserfront à la Jeanne-Claude und Christo einwickeln könnte und bekam von Moni für seinen nun 50-jährigen MG einen neuen Gepäckträger und ein »Macho-/Angeber-/T-Shirt ;-)« überreicht.
Da war doch noch Etwas? Ach … ja – unser Gnom! Das kleine »Commitée« hatte getagt und mit gekonnter Ansprache und schmunzelndem Blick auf die Kandidaten wurde Fritz »Itze« Stöber mit der Übergabe des Affen „Lucas” für seine „Missetat” auserkoren, trotz vorabendlicher bis 22 Uhr vorgenommener Repartatur seines alten „neuen“ MGB GT V8 still und heimlich und wohl hoffenderweise unbemerkt am Ziel mt einem zwischenzeitlich getauschten, modernen Ford anzulanden. Nix da! Alles kommt heraus und wird gnadenlos :-) geahndet!
Zwei Stunden vor Mitternacht war dann für die Laienspielschar dieser auch für uns in einem solch' opulenten Rahmen nicht üblichen Tour so langsam Zapfenstreich.
Riesendank und Applaus mit »Standing Ovations« an die beiden Schauspielleiter Moni und Achim für diesen wunderbaren Tag und die Inszenierung dieser äußerst schönen Ausfahrt – ähem, dieses lebendigen Stückes!
5. September 2013
Text und Bilder © Wolfgang Hesse
Popup-Grossbilder folgen wohl erst zeitlich weit nach der Tour »Dolce Vita« (8.-19.9.2013)